Nürnberg

Forensische Anthropologie und die Rückkehr der Verschwundenen

Das „Verschwindenlassen“ ist eine der schlimmsten Gewaltformen überhaupt – sie bringt Menschen nicht nur um ihr Leben, sondern auch ihre Liebsten um die toten Körper und die Möglichkeit der Trauer. So entsteht der Mythos der „Verschwundenen“, die weder tot noch lebendig sind. Das ist in Süd- und Mittelamerika nicht nur ein Erbe der Militärdiktaturen und Bürgerkriege, sondern – etwa in Mexiko – brutale Gegenwart. Doch es gibt Akteure, die sich dem vermeintlichen Verschwinden widersetzen: jene regierungsunabhängigen Forensiker, die sich im Auftrag der Angehörigen auf die Suche machen, klandestine Gräber ausheben und Gebeine identifizieren – und damit Abschied und womöglich sogar Bestrafung möglich machen. Neu erfunden wurde diese Menschenrechts-Forensik vor dreißig Jahren in Argentinien, heute ist ist das – inzwischen weltberühmte – argentinische Team auch an mexikanischen Massengräbern im Einsatz. Aber eine Gruppe junger mexikanische Archäologen, bestens ausgebildet an prähispanischen Ruinen, wenden sich heute grausigen Grabstätten des 21. Jahrhunderts zu.

Referentin: Anne Huffschmid ist Kulturwissenschaftlerin und Autorin. Seit langer Zeit forscht, lehrt und publiziert sie zu Kultur und Politik in Lateinamerika. Zuletzt veröffentlichte sie in deutscher Sprache die Monografie „Risse im Raum. Erinnerung, Gewalt und städtisches Leben in Lateinamerika“ und den Sammelband „TerrorZones. Gewalt und Gegenwehr in Lateinamerika“.